Darf ein Jugendlicher ohne Kenntnis seiner grundsätzlich unterhaltspflichtigen Mutter ein rd. 40.000 EUR teures, zweijähriges Studium beginnen, dessen Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird? Kaum zu glauben.
Der Sachverhalt: Ein 21-jähriger fordert von seiner Mutter Unterhalt für die Zeit seiner nachschulischen Ausbildung, obwohl er unstreitig zum 18. Geburtstag ein Sparkonto mit rund 15.000 EUR für genau diesen Zweck von seinen Eltern überreicht bekommen hat (Ausbildungskonto). Damit sollte vorab der Unterhalt für die Zeit der Ausbildung abgegolten sein.
Der junge Mann behauptet, dieses Geld habe er vollständig für die Zahlung von Studiengebühren (insgesamt etwa 25.000 EUR für zwei Jahre) aufwenden müssen, daher brauche er nun zusätzlichen Unterhalt von seinen Eltern. Diese sind geschieden und ob vom Kindsvater überhaupt Unterhalt gefordert wurde oder geleistet wird, spielt für das Gericht bis zum Schluss offensichtlich keine Rolle.
Ohne Abitur ins Studium – Mutter soll zahlen
Mit Erlangung der Mittleren Reife nach der 10. gymnasialen Klasse hatte der Junge die Schule abgebrochen und sich mit Erreichen der Volljährigkeit an einem privaten kostenpflichtigen Lehrinstitut in Berlin für den Studiengang Tontechnik eingeschrieben. Das SAE Institut bietet in diesem Bereich nur einen Abschluss an, der in Deutschland jedoch nicht anerkannt ist und der nicht zur Aufnahme eines Masterstudiums berechtigt. Die Mutter erklärte durchgehend, dass sie über die enormen Studiengebühren in Höhe von rd. 25.000 EUR keine Kenntnis hatte, vom Sohn wohl auch absichtlich nicht in Kenntnis gesetzt wurde und dass sie aufgrund ihrer finanziellen Situation auch nie ihr Einverständnis erteilt hätte. Zum Zeitpunkt der Einschreibung an dem Institut verfügte die Mutter über ein Nettoeinkommen von ca. 1.200 EUR und hatte einen befristeten Arbeitsvertrag, der kurze Zeit später auslief – ohne die Gewissheit auf Weiterbeschäftigung. Wie hätte sie zustimmen können, dass ihr Sohn für die zweijährige Ausbildung 40.000 EUR (25TEUR Studiengebühren + 15 TEUR Ausbildungskonto) ausgeben wollte?
Verhandlung vor dem OLG Karlsruhe – auf Beweiserhebung wird verzichtet
Während des Verfahrens legte der Sohn dar, dass verschiedene Banken es abgelehnt hatten, ihm einen Studienkredit zu gewähren. Das Bafög-Amt schließt eine Förderung dieses Studiengangs kategorisch aus – eben weil der Studiengang keine staatliche Anerkennung findet
Der Sohn hat das Studium nicht abgeschlossen, sich längst einer völlig fachfremden Tätigkeit zugewandt und war nachweislich schon seit über einem Jahr vor der Verhandlung unternehmerisch tätig geworden.
Der Vorsitzende Richter stellte während der Verhandlung vor dem OLG Karlsruhe die Angemessenheit der Studiengebühren deutlich in Frage. Im Protokoll zur mündlichen Verhandlung wurde festgehalten: „Das Gericht weist darauf hin, dass es …gewisse Zweifel hat hinsichtlich der Frage, ob die Angemessenheit der Ausbildung angesichts der damit verbundenen Kosten noch gewahrt war.“
Entsprechend unterbreitete das Gericht einen Vergleichsvorschlag, den die Mutter annahm, der Sohn aber ablehnte.
Auf eine Beweisaufnahme, zum Beispiel über die Frage, ob die Mutter vorab Kenntnis von den enormen Kosten hatte, verzichtete das OLG mit der Begründung, darauf käme es nicht an.
Der Beschluss – zahlreiche Widersprüche
Die Überraschung erfolgte dann mit Bekanntgabe des Beschlusses am 28.06.2018: Die Mutter wurde verpflichtet, ihrem Sohn noch einmal Unterhalt zu zahlen und zwar auch für die Zeit, in der dieser schon geschäftstätig und nur noch formal am SAE Institut eingeschrieben war. Dabei hat das Gericht die Voraussetzungen für die Übernahmepflicht von Mehrbedarf zutreffend erkannt. „Nicht zu sehen ist allerdings, dass die Antragsgegnerin mit der konkret gewählten Ausbildung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen Kosten, einverstanden gewesen wäre.“ Dies wäre aber auch nach der vom Gericht selbst zitierten Entscheidung des Brandenburgischen OLG vom 10.12.2013 (10 UF 125/13) erforderlich, um den Mehrbedarf auf die Mutter abzuwälzen. Das OLG Karlsruhe weicht indes von dieser Rechtsprechung insofern ab, als es resümiert, dass das Einverständnis deshalb „letztlich unerheblich“ sei, weil die Angemessenheit des Studiums zu bejahen sei und zwar „sowohl unter dem Gesichtspunkt der (absoluten) Höhe der Studiengebühren … als auch unter dem Gesichtspunkt des zu erwartenden Abschlusses…“
Doch damit nicht genug: Obwohl dargelegt worden war, dass der Kindsvater ein fast doppelt so hohes Einkommen wie die Mutter haben dürfte, wies der Richter der Mutter einen Anteilssatz von 48 Prozent zu. Als besonders paradox an der Entscheidung erscheint, dass die Gebühren, die die Mutter für ein eigenes berufsbegleitendes Studium aufbringen musste, nicht als abzugsfähig anerkannt wurden. Auch die unbestrittene Tatsache, dass die Mutter dem zweiten, älteren Sohn, der an einer staatlichen Hochschule studiert, laufenden Unterhalt bezahlt, blieb bei der Berechnung des Gerichts unberücksichtigt, weil es sich um „freiwillige Zahlungen“ handele. Hätte also der zweite Sohn ebenfalls Klage gegen die eigene Mutter erhoben, wäre die Unterhaltszahlung also nicht mehr freiwillig und somit vom Einkommen der Mutter abziehbar.
Schlussendlich bleibt die Frage, wie eine grundsätzlich unterhaltspflichtige Mutter sich vor dem wirtschaftlichen Ruin schützen kann, wenn ihre Kinder – ohne ihr Einverständnis – sündhaft teure Studiengänge belegen.
Diese Entscheidung ist nach Auffassung des Verfassers ein weiterer Beleg dafür, dass es den Gerichten zunehmend darauf ankommt, schnelle Entscheidungen zu treffen. Da wird auch schon mal von eigentlich gebotenen Beweiserhebungen abgesehen.